
Es ist keine Idylle, die da besungen wird. Kein ungetrübtes Sommermärchen. Sondern ein ehrlicher Blick: auf das Kippen der Zeit, das Kommen der Dunkelheit – auch in den hellsten Tagen.
Genau dort, in dieser Kippfigur, klingt eine Zeile, die alles wendet: „Begegne unsren Ängsten mit deiner Liebe Macht.“ Es ist vielleicht die zärtlichste Zeile des Liedes. Und die gewichtigste. Denn sie bringt zwei Kräfte zusammen, die selten gemeinsam ausgesprochen werden: Angst und Liebe.
Nicht unsere Stärke trägt uns. Nicht unsere Pläne, nicht einmal unser Glaube. Sondern: Gottes liebende Macht. Eine Macht, die nicht überwältigt – sondern bleibt. Nicht triumphiert – sondern trägt. Eine Liebe, die nicht flieht, wenn wir zittern. Die uns nicht trifft wie ein Blitz – sondern hält wie ein Atem.
In diesem Sinn ist „Sommerliebe“ mehr als das Gefühl für einen warmen Tag. Sie ist ein Vertrauen: dass auch in der Wärme Raum ist für Angst – und dass Gott genau dort begegnet.
Vielleicht war auch Jesu Wirken eine solche Sommerliebe: intensiv, heilsam, voller Licht – und von Anfang an unter dem Schatten des Endes. „Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war“ (Joh 13,1). Er hatte keine Illusion über die Dauer. Und gerade deshalb war sein Tun so kostbar.
Die Liebe, die aus der Angst nicht flieht, sondern hindurchgeht, ist die Liebe, die heilt. Und sie beginnt in der Dankbarkeit – nicht für das, was endet, sondern das, was niemand mehr nehmen kann: ein Wort, ein Blick, ein Augenblick, der trägt. Auch das Glückliche, das wir erleben durften, gehört dazu – ohne es festhalten zu müssen.
Solche Dankbarkeit ist keine Weichzeichnung. Sie ist Kraft. Wer sie übt, kann loslassen. Abschied nehmen. Auch im Angesicht des eigenen Endes. Dem Schwinden mit offenem Blick begegnen – ohne zu zerbrechen.
Sommerliebe ist dann keine Schwärmerei, sondern eine geistliche Übung. Im Jetzt zu stehen. In der Mitte. Zwischen Licht und Schatten. Zwischen Aufblühen und Vergehen. Und in allem offen zu sein für die eine Gegenwart, die nicht vergeht: „Du wächst und bleibst für immer.“
„Dein Tun hat Morgenschimmer, das unsere sinkt ins Grab.“ Gottes Tun bleibt nicht stehen. Es beginnt. Immer wieder. Auch dort, wo unser Handeln endet. Es kommt nicht aus der Vergangenheit – es kommt auf uns zu. Gottes Tun ist Anfang im Angesicht des Endes,
Morgenglanz mitten im Dunkel. Wie die späte Sonne, die noch wärmt, wenn sie schon sinkt. Es ist der leise Grund zur Hoffnung, dass in allem Vergehen etwas aufbricht – nicht aus uns, sondern von ihm her. Und dass aus dem, was vergeht, durch ihn neues Leben ersteht.
In dieser Liebe, die uns in der Angst begegnet, liegt ein Trost, der nicht vertröstet. Er lehrt uns: Die Nacht kommt. Ja. Aber sie kommt nicht allein. Die Liebe geht mit.
Tom Sojer
Büchereileitung Hohenems